„Ich möchte, dass es als rassistischer Angriff anerkannt wird“ – Aftax I.

Wir stehen heute hier in der Magdeburger Straße um daran zu erinnern, dass Aftax I. am 09. Oktober 2019, von dem selben Attentäter der auch die Synagoge und den Kiez- Döner angegriffen und Jana und Kevin ermordet hat, aus rassistischen Motiven angefahren wurde. Es ist uns wichtig, dass dieser rassistische Angriff – im Kontext der anderen Vorfälle des 09.Oktober 2019 – nicht vergessen wird, denn Schwarze Menschen und People of Color erleben in Halle und Sachsen-Anhalt tagtäglich Anfeindungen und Angriffe. Diese kommen aus der weißen Mehrheitsgesellschaft - finden in dieser also kaum Beachtung. Auch die Erlebnisse von Aftax I. werden im Prozess und dem Gedenken an den Anschlag kaum beachtet. Mit unserer Kundgebung und unserem Gedenken wollen wir darauf aufmerksam machen, damit seine Erfahrungen vom 09.Oktober 2019 als rassistischer Angriff anerkannt werden.

„Ich war auf dem Weg zu meinem Arbeitgeber, ich bin mit der Straßenbahn Nummer 5 bis zur Haltestelle „Magdebuger Straße“ gefahren. Als ich aus der Straßenbahn ausgestiegen bin, habe ich die Straße überquert. Es ging alles so schnell. Ich hörte noch einen Freund von mir rufen, dass ich aufpassen und zur Seite gehen soll. Ich schaute zur Seite und sah wie ein Auto mit hoher Geschwindigkeit auf mich zuraste und mich bewusst ansteuerte. (...) Ich schaffte es noch zur Seite zu springen, konnte aber nicht vollständig ausweichen, sodass ich seitlich vom Auto erfasst wurde. Ich fiel auf mein rechtes Knie, erlitt dort eine schwere Prellung und hatte Verletzungen an der linken Hand. Mir war sofort bewusst, dass dieser Angriff vom Autofahrer rassistisch motiviert war. Ich dachte noch, naja, es ist ein ganz normaler rassistischer Vorfall, der in Sachsen-Anhalt und in Halle einfach häufiger passiert. Daher wusste ich sofort, wie ich das einzuordnen hatte. Er hat bewusst auf mich als Schwarzer gezielt. Um mich herum waren andere weiße Menschen, auf die er mit dem Auto hätte zufahren können. Ich wusste, dass er auf mich zielte und mich versuchte umzufahren. Nach kurzer Zeit kam ein Rettungswagen und brachte mich ins Krankenhaus. Als ich dort ankam war ich total verwundert, warum ich so viele Ärzt:innen und Pflegepersonal sah. Ich dachte mir, dass etwas passiert sein müsste. Einer der behandelnden Ärzte teilte mir mit, dass der Mann, der mich mit dem Auto erwischt hat, einen Terroranschlagverübt hat und dass ich Glück habe, dass ich noch lebe. Erst da ist mir bewusst geworden, dass diese Tat Teil eines viel größeren Anschlags war. (...)
Der Attentäter hat den Terroranschlag aus antisemitischen und rassistischen Motiven begangen. Durch seine Veröffentlichungen und durch das, was er in den Vernehmungen bisher gesagt hat, wissen wir: Er sieht jüdische und muslimische Menschen, aber auch Schwarze als seine Feinde. Das heißt die Taten, die er an dem Tag begangen hat, müssen wir in einem Kontext sehen und verstehen. Ich möchte, dass das Gericht und die Öffentlichkeit verstehen, dass es ein rassistischer Angriff war, den ich erlebt habe. Das muss öffentlich geklärt werden und es müssen Konsequenzen daraus folgen. Ich und einige meiner Freunde haben schon so viele Rassismuserfahrungen in Deutschland gemacht. Es gibt so viele rassistische Übergriffe in Deutschland, es werden immer mehr. Hier in Sachsen-Anhalt und auch in Halle gibt es zahlreiche Menschen, die rassistisch und flüchtlingsfeindlich sind. Sie gucken uns komisch an, beleidigen uns oder greifen uns an. Wir werden zu „Anderen“ gemacht. Für uns ist das Alltag. Der Attentäter von Halle hat mich aus einem bestimmten Grund angefahren und ich möchte, dass es als rassistischer Angriff anerkannt wird.“ – Aftax I. in einem Interview mit Rachel Spicker


Wir fordern, Rassismus nicht auszublenden und den Betroffenen zuzuhören. Wir fordern, dass Taten folgen. Denn durch Lippenbekenntnisse ändert sich nichts an der rassistischen Grundhaltung der deutschen Gesellschaft.
Wir fordern, Antisemitismus als Problem der deutschen Gesellschaft wahrzunehmen und auf ein „Nie Wieder“ auch Taten folgen zu lassen. Denn es ist nicht die Schuld der Jüd:innen, wenn sie antisemitisch angegriffen werden.
Wir fordern, dass auf rassistische und antisemitische Aussagen, ob privat oder öffentlich, Konsequenzen folgen.
Wir fordern, Antifaschist:innen bei ihrer Arbeit zu unterstützen statt sie zu blockieren.
Wir fordern, dass der Vorfall in der Mageburger Straße als rassistisch motivierter Mordversuch juristisch verhandelt wird.

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